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Das Zamboni Pendel

Ein elektrostatisches „Perpetuum-Mobile“ von Giuseppe Zamboni – seine moderne Sage und die einfache Erklärung im Internet

Das Zamboni Pendel wird von zwei Zamboni’schen Säulen – Trockenzellen-Batterien – angetrieben. Quelle: Museum Experimental-Physik der Universität Innsbruck

Moderne Sagen, im Englischen »urban legends« genannt, sind das Seemannsgarn unserer Zeit: unglaubliche Geschichten, die an Stammtischen überall auf der Welt erzählt werden und aus absolut zuverlässigen Quellen stammen sollen: „Ein Freund erzählte es mir, dessen Bekannter die Geschichte selbst erlebt hat“. Kein Zweifel also, die Geschichte muss so oder ähnlich passiert sein.

Die Suche nach „urban legend“ findet 10.300.000 Einträge in der Suchmaschine Google.de, und es gibt zahlreiche Datenbanken, die sich intensiv mit diesem Thema befassen. Die elektronische Recherche im Internet eignet sich also sehr gut, um moderne Sagen als solche zu entlarven und sich nicht in die Irre führen zu lassen.

Die Autorin des wirklich lesenswerten Buches „Bestellungen beim Universum“, Bärbel Mohr, scheint einer modernen Sage aufgesessen zu sein. Frau Mohr schreibt in Kapitel 4 auf Seite 29 über den italienischen Priester und Physiker Giuseppe Zamboni: „Joseppe Zamboni baute 1835 in Verona eine mysteriöse Uhr, die, ohne jemals aufgezogen zu werden, seit 1835 auch heute noch läuft. Die Wissenschaft macht um diese Uhr kein großes Aufhebens.“ Frau Mohr mutmaßt, man könne das Phänomen nicht erklären, „solange man nur an die Welt der Mechanik und Materie glaubt.“ Die Autorin schreibt weiter, dass die mysteriöse Uhr heute im „Clairington Laboratory“ der Oxford University steht und läuft und läuft ...

Wenn man davon absieht, dass es an der Oxford University kein „Clairington Laboratory“ gibt, und dass der zitierte Physiker nicht „Joseppe Zamboni“ hieß, klingt diese Geschichte zunächst ziemlich spannend. Der Leser wittert hier möglicherweise eine Verschwörung »der Wissenschaft«, die uns eine bahnbrechende Erfindung des Herrn Zamboni vorenthält, indem sie nicht darauf eingeht. Da einzelnen Wissenschaftlern diesbezüglich kein Versagen vorgeworfen wird, scheint »Die Wissenschaft« insgesamt schuld zu sein.

Mit dem Suchbegriff „Joseppe Zamboni“ ausgestattet, findet der Skeptiker einen einzigen Eintrag in Google.de, der im Wortlaut mit der Beschreibung in Bärbel Mohrs Buch weitgehend identisch ist. Zu wenige Suchergebnisse, wenn man davon ausgeht, dass Herr Zamboni ein berühmter Physiker gewesen sein muss. Die Verschwörungstheorie wird durch diesen erstaunlichen Mangel an Ergebnissen möglicherweise aber genährt.

Die Suche nach „Zamboni“ und „Uhr“ bringt uns dem Ziel näher, denn nun finden sich Hinweise auf den münchner Professor Alois Ramis der schon 1815 eine kleine Serie elektrostatischer Uhren baute, die als Energiequelle zwei Zamboni’sche Säulen – Trockenzellen-Batterien – verwendeten. Kein Wunder also, dass die angeblich mysteriöse Uhr des Herrn Zamboni nicht aufgezogen werden muss, sie läuft im Batteriebetrieb.

Und, es ist nicht einmal eine Uhr! Bärbel Mohrs Beschreibung passt sehr gut auf das Zamboni’sche Pendel, das auf den ersten Blick vielleicht wie ein Uhr aussieht, aber keine Zeit anzeigen oder messen kann. Das Zamboni’sche Pendel pendelt mit einem Batteriesatz ausgestattet gut 150 Jahre lang mehr oder weniger stark hin und her. Uhren ticken anders, sie sollen die Zeit exakt messen und verfügen deshalb über ein präzises Uhrwerk. Zamboni’sche Trockensäulen und Pendel findet man in verschiedenen Museen in Europa, zum Beispiel im Museum Experimental-Physik der Universität Innsbruck, im Clarendon Laboratory der Oxford University, in der Original-Versuchsanordnung von Röntgen für das Deutsche Museum in München, und im Museo Civico d’Arte di Modena

Fazit

Die „mysteriöse Uhr“ wird in Bärbel Mohrs Buch als Beispiel dafür angeführt, dass viele bekannte Phänomene nicht ausreichend wissenschaftlich bewiesen werden können. Wie die Recherche im Internet allerdings schnell zeigt, ist dieses Beispiel nicht gut gewählt. Zamboni’s Pendel ist kein Mysterium, es ist ein wissenschaftliches Langzeitexperiment.

  • „Joseppe Zamboni“ heißt eigentlich Giuseppe Zamboni.
  • Das „Clairington Laboratory“ heißt richtig Clarendon Laboratory.
  • Professor Robert Walker hat das als Clarendon Dry Pile bekannte Zamboni Pendel für das Department of Physics der Oxford University beschafft, und 1840 im Clarendon Laboratory aufgestellt.
  • Laut Clarendon Laboratory Archive vom 29. Oktober 1998, soll das Clarendon Dry Pile im Guiness Buch der Rekorde als »world’s most durable battery« (langlebigste Batterie der Welt) geführt sein. Die Recherche bei www.guinnessworldrecords.com findet im Juli 2004 keinen Eintrag in der aktuellen Datenbank der Rekorde.
  • Jim Williamson vom Oxford Physics Department soll im Jahr 2001 über das Clarendon Dry Pile Experiment gesagt haben: „It is still there and still ringing. You can see it in the glass cabinet in the foyer of the Clarendon (Laboratory), on the left as you go into the Martin Wood (Lecture Theatre).“
  • Zamboni’s Pendel ist ein elektrostatisches Pendel, von zwei Trockenzellen angetrieben, keine „mysteriöse Uhr“.
  • Die Zambonische Säule ist eine Batterie, die unter anderem das Zamboni Pendel antreibt.
  • Das angebliche Perpetuum-Mobile von Giuseppe Zamboni läuft zwar sehr lange, aber eben nur so lange, bis seine beiden Trockenzellen verbraucht sind. Das Clarendon Dry Pile genannte Zamboni Pendel der Oxford University ist seit 1840 in Betrieb, es pendelt also seit mehr als 160 Jahren. Das Zamboni Pendel im Museum Experimental-Physik der Universität Innsbruck war 147 Jahre in Betrieb, von 1823 bis 1970.

Bildquellen: Zamboni-Pendel – mit freundlicher Genehmigung von Professor Armin Denoth, Museum Experimental-Physik der Universität Innsbruck.
Voltasche Säule – mit freundlicher Genehmigung von Pierre R. Roberge, www.corrosion-doctors.org

Literaturverzeichnis – just the facts

Im Jahr 1789 entdeckt der italienische Arzt und Naturforscher Luigi Galvani bei Froschschenkel-Versuchen die „elektrischen Kräfte der Muskelbewegung“.

Die galvanische Säule von Alessandro Volta.

Von Galvanis Entdeckung angeregt, erfindet Alessandro Volta 1799 seine „galvanische Säule“, eine Batterie, die auf chemischen Wege sogenannten galvanischen Strom erzeugt. Das Funktionsprinzip der voltaschen Säule entspricht der modernen Nasszellen-Batterie. Die ersten voltaschen Säulen bestanden aus gestapelten Zink- und Kupferscheiben, die durch feuchte, mit Säure getränkte Stofffetzen oder Papierscheiben getrennt waren und von drei senkrechten Glasstäben gestützt wurden. Volta baute Säulen mit dreißig, vierzig und fünfzig Elementen, um den Spannungsverlauf zu studieren. Er konnte beweisen, dass die Stromstärke mit der Zahl der verwendeten Elemente zunimmt. Wenn mehr als zwanzig Elemente verwendet werden, gibt die voltasche Säule schmerzhafte Stromstöße ab. Giuseppe Zamboni entwickelte die voltasche Säule weiter.

Zambonische Säule (trockene Säule) ist eine Voltasche Säule von sehr vielen (1000-2000) Plattenpaaren, in welcher lufttrocknes Papier die Stelle der feuchten Filzscheiben, unechte Vergoldung (Kupferbronze) und unechte Versilberung (Zinn) die Stelle der Metalle Kupfer und Zink vertritt. Um eine Zambonische Säule zu verfertigen, werden Blätter von unechtem Gold- und Silberpapier mit der Papierseite zusammengeklebt, Scheiben daraus geschnitten, diese in einer Glasröhre dicht aufeinander geschichtet, so dass die Zinnseite jeder Scheibe auf die Kupferseite der vorhergehenden zu liegen kommt, und die Glasröhre durch aufgekittete Messingfassungen geschlossen. Die im lufttrockenen Papier noch immer festgehaltene Feuchtigkeit wirkt auf die Metalle in derselben Weise elektrisch erregend wie die Flüssigkeit in einer gewöhnlichen Voltaschen Säule; die Enden oder Pole der Säule laden sich daher mit entgegengesetzten Elektrizitäten, deren Spannungsunterschied mit der Anzahl der Plattenpaare wächst, und zwar lädt sich das Kupferende mit positiver, das Zinkende mit negativer Elektrizität.
-- Meyers Konversationslexikon, 1888

Giuseppe Zamboni, katholischer Priester und Physiker, Juni 1776 – 25 Juli 1846, Erfinder der Zamboni’schen Säule (Trockenzellen-Batterie) von 1812.
Kurzbiografie (english)
Ausführliche Biographie (english)

Die Zambonisäule – eine Hochspannungs-Trockenzelle nach Zamboni, bestehend aus 4.000 Elementen.
-- Museum Experimental-Physik der Universität Innsbruck

Professor Alois Ramis baut 1815 in München eine kleine Serie elektrostatischer Uhren und benutzt als Energiequelle zwei Zambonische Säulen, eine Abwandlung der Voltaschen Säule.

Das Zamboni Pendel, ein elektrostatisches „Perpetuum-Mobile“, wird von zwei Zamboni’schen Säulen angetrieben. Das Bild zeigt ein Zamboni Pendel, das von 1823 bis 1970 in Betrieb war.
-- Museum Experimental-Physik der Universität Innsbruck

Zamboni Pendel – The Clarendon Dry Pile, 1840 von Professor Robert Walker im Clarendon Laboratory aufgebaut und mindestens bis 2001 in Betrieb, möglicherweise noch heute.
-- Clarendon Laboratory Archive, Department of Physics, Oxford University

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